Das erste Laufabenteuer auf La Palma
Mindestens 100 Wochenkilometer hatte ich für den Urlaub auf der Kanareninsel La Palma geplant. Zusätzlich wollte ich einige Wandertouren mit der Familie unternehmen. Die vielen Höhenmeter sollten mich gut auf den ThüringenUltra vorbereiten. Ich freute mich schon darauf, viele Kilometer zu laufen und jede Menge Berge im Laufschritt zu erklimmen. Doch es kam anders. Das hatte ich erwartet. Denn vor drei Jahren war ich im Urlaub im Allgäu unterwegs und musste lernen, dass man für 21 Kilometer im Gebirge durchaus mehr als acht Stunden Zeit brauchen kann.
Lange vor unserem Urlaub hatte ich zwei lange Laufstrecken geplant. Die eine Route sollte mich von Fuencaliente im Süden der Insel zu unserer Unterkunft zwischen El Paso und Los Llanos de Aridane im Westen La Palmas führen. Es ist eine traumhafte, rund 31 Kilometer lange Strecke, die über erloschene Vulkane führt.
Das zweite Laufabenteuer plante ich über den Grat der Caldera de Taburiente. Die Schlucht ist aus dem kollabierten Hauptvulkan durch gigantische Erdrutsche und anschließender Erosion entstanden. Der rund 2.400 Meter hohe Roque de los Muchachos ist der höchste Gipfel der Insel und ein Höhepunkt auf der 48 Kilometer langen Tour mit weit mehr als 2.000 Höhenmetern.
Beide Routen sind Teil des Transvulcania Ultramarathons1 auf La Palma, der jedes Jahr im Mai stattfindet. Dieses Ultraspektakel mit bis zu 2.000 Teilnehmern über eine Distanz von 74 Kilometer reizte mich ungemein, so dass ich mit dem Gedanken spielte, ihn einmal unter meine Ultra-Füße zu nehmen. Mir war aber bewusst, dass der ThüringenUltra im Vergleich dazu eher ein Kinderspiel ist, denn der Ultramarathon auf La Palma hat fast doppelt so viele Höhenmeter.
Die Routen für weitere, mehr oder weniger lange Touren plante ich, spontan vor Ort auszutüfteln. Allerdings wollte ich auch möglichst oft mit meiner Familie wandern, vor allem bei der Wanderung durch die Caldera de Taburiente wollte ich unbedingt dabei sein.
Geschwindigkeit ist relativ
Während die Familie mit dem Auto einen Ausflug zum Mirador de la Cumbrecita unternahm, wollte ich die rund 21 Kilometer lange Strecke von unserer Unterkunft in Hermosilla, einem Ortsteil von Los Llanos, mit möglichst vielen gelaufenen Abschnitten bewältigen. Mein Ziel war es, mich damit an die An- und Abstiege heranzutasten, bevor ich längere Distanzen wagte.
Sehr steil sind die Straßen und Wanderwege. Zum Teil sind es schmale Pfade, die zu dem beliebten Aussichtspunkt in rund 1.300 Metern Höhe über dem Meeresspiegel führen. Ich hatte die Route so geplant, dass ich zunächst über einen Grat zu einem 1.600 Meter hohen Gipfel und anschließend zum Parkplatz absteigen musste. Ein kurzer Spazierweg vom Parkplatz führt zu beeindruckenden Aussichtspunkten, die spektakuläre Ausblicke in die Caldera de Taburiente erlauben.
Ich hatte vermutet, dass die anspruchsvolle elf Kilometer lange Strecke bis zum Mirador de la Cumbrecita mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, zumal ich das Laufen in unwegsamem Gelände mit steilen Aufstiegen in diesem Jahr überhaupt noch nicht trainiert hatte. Schließlich erreichte ich innerhalb von zwei Stunden und 40 Minuten nach etwas mehr als neun Kilometern den höchsten Punkt der Strecke. Im Flachland benötige ich in der Regel dafür deutlich weniger als eine Stunde.
Der Lohn für die Anstrengung
Die Strapazen hatten sich gelohnt, denn von dem Berg hatte ich einen atemberaubenden Ausblick in die Caldera-Schlucht. Ein zarter Wolkenschleier auf Augenhöhe schmückte das Bergpanorama mit weißem Flaum. Die steilen Hänge sind mit Kiefern, Sträuchern und kleineren exotischen Pflanzen bewachsen.
Einige hundert Meter unter mir erkannte ich den Parkplatz des Mirador de la Cumbrecita. Ganz sicher war meine Familie schon längst nach Santa Cruz de la Palma weiter gefahren, denn sie hatte ihren Ausflug für die Zeit von elf bis 13 Uhr geplant. Weil der Parkplatz sehr klein ist, limitieren die Behörden die Zufahrt zu diesem beliebten Ausflugsziel am Rande des Nationalparks. Um dort parken zu dürfen, muss man sich bei der Touristeninformation in El Paso ein kostenloses Ticket besorgen.
Vorsichtig lief ich über den schmalen Pfad zum Parkplatz hinab. Das war wegen der Unwegsamkeit und des starken Gefälles gefährlich. Ständig musste ich die Wurzeln und Steine auf dem Pfad im Auge behalten. Ein Sturz wäre lebensgefährlich gewesen, denn neben mir fiel der Hang mehrere hundert Meter tief ab. Immer wieder blieb ich stehen, denn Dickblattgewächse erweckten meine Aufmerksamkeit. Ich kannte einige von ihnen entweder aus Lehrbüchern oder aus dem Botanischen Garten der Ruhr-Universität, wo ich vor Jahrzehnten Biologie studiert hatte. Auch die spektakulären Ausblicke ließen mich immer wieder inne halten. Das kostete noch mehr Zeit. Mir war das egal, schließlich hatte ich im Urlaub alle Zeit der Welt. Am Parkplatz legte ich eine kurze Rast ein, bevor ich meine Runde fortsetzte.
Entlang der abschüssigen Straße lief ich endlich ein flottes Tempo. Selten kamen mir Autos entgegen. Kleine Nebenstraßen führten mich später durch die Vororte von El Paso. Von der Kleinstadt aus führte mich die Strecke sehr steil abwärts nach Los Llanos de Aridane bis auf rund 400 Meter über dem Meeresspiegel. Es dauerte noch gut zwei Stunden, bis ich in unserem Feriendomizil ankam. 23 Kilometer hatte ich auf meiner ersten Tour unter die Füße genommen und war nun ziemlich erledigt. Am nächsten Tag forderte der Muskelkater in meinen Oberschenkeln eine dringende Ruhepause, die ich ihm gerne gewährte.
- Details dazu unter www.transvulcania.com